Grafling. "Katastrophal in Zeiten von Strommangel." Da sind sich Karl Ortbauer, Franz Ehring und Thomas Behammer einig. Auch bei den drei Wasserkraftanlagen-Betreibern schlägt der Gesetzentwurf zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Wellen. Demnach soll neuen und modernisierten Wasserkraftanlagen bis 500 Kilowatt (kW) mit Inkrafttreten des EEG 2023, wie Ortbauer hervorhebt, "der Status regenerative Energie aberkannt werden". Damit würden sie keine Einspeisevergütung mehr erhalten.
Als Begründung heißt es aus dem Klimaschutzministerium, dass kleine Wasserkraftanlagen Gewässerökologisch nicht verträglich seien. Das hat den Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke, ein Zusammenschluss von rund 630 Wasserkraftwerken, auf den Plan gerufen, der ein Protest- Musterschreiben für seine Mitglieder aufgesetzt hat. Ein solches hat der Graflinger Ortbauer an MdB Thomas Erndl (CSU) geschickt, verbunden mit einer persönlichen Einladung, sich in der Rohrmünzmühle ein Bild zu machen. Ortbauers Ziel: "Den Status quo beibehalten."
Am Samstagnachmittag war Erndl gekommen, ebenso Graflings Bürgermeister Anton Stettmer, dessen Stellvertreter Markus Haftner sowie Thomas Behammer aus Auerbach, der seine 30 kW-Anlage vom Vater übernommen hat, und Franz Ehring aus Achslach (Landkreis Regen), der über zwei Anlagen an der Teisnach und eine größere in Sachsen verfügt.
Die Rohrmünzmühle gibt es seit 1555. Die Familie Ortbauer betreibt zwei Kraftwerke, die direkt hintereinander liegen. 550 Meter voneinander entfernt, sind beide mit einer Rohrleitung verbunden; das größere leistet 40 kW, dafür ist das Wasserrecht bis 2028 bewilligt, dieses hat eine "kleine Besonderheit": Ortbauer darf sie im Schwellbetrieb fahren für das Sägewerk und den Eigenbedarf.
"Wenn man investieren möchte, braucht man Planungssicherheit", macht der Unternehmer deutlich. Für ihn gehört die Wasserkraft wirtschaftlich gesehen zu einem Gesamtpaket: das Sägewerk, das er im Nebenerwerb betreibt, die Eigennutzung und Erlöse aus der Wasserkraft sowie Land- und Forstwirtschaft. Seinerseits sei eine ökologische Aufwertung mit einem Umleitungsgerinne und Fischaufstiegshilfen erfolgt – die Forellen und Mühlkoppen nutzen.
Er nutzt die aus dem Wasser gewonnene Elektrizität aus seinen beiden Anlagen. Die kleinere Anlage mit 16 kW, deren Bewilligung dieses Jahr ausläuft, hat derzeit für ihn Priorität. Dort sind zwei Turbinen aus den 1920er Jahren eingebaut, "die dringend ausgetauscht werden sollten". Die Gesamtkosten für diese Maßnahme beziffert er auf weit über 100000 Euro. Dann sei, hofft er, eine Verbesserung der Wasserausnutzung bis zu 30 Prozent möglich.
Rohrmünzmühle erzeugt Strom für 100 Haushalte
Die Turbine in der 40 kW-Anlage "stammt von 1952 und gehört überholt" nennt der Graflinger weitere Maßnahmen in seinem "Fünf-bis-zehn-Jahres-Plan". Er rechnet samt der Steuerungstechnik mit einer Investition zwischen 50000 und 100000 Euro, und dann "funktioniere sie nochmals 100 Jahre. Wenn man nichts macht, läuft sie mit ungünstigerem Wirkungsgrad".
"Mit dem durchschnittlichem Ertrag aus beiden Kraftwerken, circa 300000 Kilowattstunden im Jahr, könnten etwa 100 Haushalte mit sauberen Strom, zuverlässig und stetig versorgt werden", sagt Ortbauer. Für die Einspeisung bekomme er wegen der ökologischen Aufwertung 11,67 Cent pro kWh. "Wenn das neue EEG-Gesetz kommt, sehe ich nicht, dass das für die Fischerei und den Naturschutz besser wird." Ortbauers Kollegen stützen seine Meinung: Die ökologischen Auflagen müssten ohnehin erfüllt werden, die Vorgaben seien enorm hoch, machen Ehring und Behammer deutlich. Alle paar Monate komme das Wasserwirtschaftsamt zur Kontrolle und prüfe, ob das Restwasser noch passt.
Wie Erndl festhielt, ist nach dem Gesetzentwurf die Vergütung nicht mehr garantiert, dabei ist Wasserkraft – regional gesehen – "als Energiequelle sinnvoll und gut" , wie er mit Zahlen aus dem Landkreis Freyung-Grafenau untermauerte. Dort gebe es 130 bis 140 Anlagen, 27 Prozent der Energie kämen aus den kleinen Wasserkraftwerken. Aus dem Kreis Deggendorf hatte er keine Zahlen parat. Wie der Bundestagsabgeordnete weiter wissen ließ, hat er einige solcher Musterschreiben bekommen. Ortbauer war der Erste, den er im Wahlkreis Deggendorf aufgesucht hat. Nach Erndls Worten "will die CSU-Landesgruppe nicht, dass der Gesetzentwurf so umgesetzt wird". Nach der ersten Lesung kommt das Thema nun in den in Wirtschafts- und Umweltausschuss, dann zurück ins Plenum, danach gebe es eine zweite und dritte Lesung. Die Tendenz, wie abgestimmt wird, sei fraglich, reagierte Erndl auf Ortbauers Frage. Notfalls müsse man über die Bundesratsschiene gehen.
Erndl ergänzte, dass von den 7300 Wasserkraftwerken in Deutschland dreiviertel in Bayern sind, das neben Baden-Württemberg vom neuen EEG-Gesetz besonders betroffen ist. Insgesamt wird befürchtet, dass ohne die Sicherheit der geregelten Einspeisungsvergütung die Banken keine Kredite mehr gewährten und damit die Modernisierung bestehender Anlagen unmöglich werde.
"Die Wasserkraftanlagen verursachen keine Verunreinigung", sagt Bürgermeister Stettmer. Nach seinen Worten ist Ortbauer der größte von sieben Wasserkraftwerksbetreibern in Grafling. Seine Familie ist die dritte Generation, die die Wasserkraft nutzt. Der Großvater habe die Anlage aufgebaut, erzählt Karl Ortbauer, "der Opa hat schon 1917 das erste elektrische Licht in Grafling gehabt, und nach und nach hat er die ganze Stromversorgung für die Umgebung ausgebaut, bis 1961 die OBAG übernommen hat".
Auf Ortbauers Frage, was man noch tun könne, hielt die Runde fest, den Austausch mit dem Bund Naturschutz und dem Fischereiverband zu suchen, denn dass die Turbinen der Anlagen "Fischhäcksler" seien, stimme nicht. Zur Sprache kam auch, dass SPD-MdB Rita Hagl-Kehl und ihr FDP-Kollege Muhanad Al-Halak bei dem Besuch einer Anlage in Grafenau die Thematik ebenfalls aufgegriffen haben.
Bild: In der 40 kW-Anlage in Rohrmünzmühle: Karl Ortbauer (3. v. l.) erklärt Franz Ehring (v. l.), Thomas Behammer, Anton Stettmer, Markus Haftner (v. r.) und Thomas Erndl die Turbinen). −Foto: Eichwald
von Josefine Eichwald